Von RA Dr. Johannes Baier, RA Viktor Amadé Baron und Charlotte Seltenreich
Professional Services und Private Equity-Investoren sind einander keine Unbekannten. Auf der Suche nach ertragsstarken Sektoren mit Entwicklungspotential hat sich Private Equity (PE) bereits vor Jahren an Ingenieursgesellschaften und Architekturbüros beteiligt und deren margenreiche Tätigkeit mit PE-Know-how unterstützt.
Als neue Targets sind innerhalb des letzten Jahres im DACH-Raum vermehrt die Kanzleien von Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten in den Investmentfokus geraten. Die Investment-Story ist auch hier: Asset-Light-Businesses mit personalabhängiger Skalierbarkeit – bestenfalls mit KI-Katalyse – konsolidieren und modernisieren und mit PE-Erfahrung auf ein neues Effizienz- und Strukturlevel heben. Das Wachstumspotential und die Chancen eines zweistellig wachsenden Marktes sprechen jedenfalls für sich.
Im Folgenden geben wir überblicksweise einen Wasserstand unserer täglichen Beratung diesbezüglich und ordnen die losen Enden.
Regulatorische Grundlagen
Nach dem sog. Fremdbesitzverbot darf es an Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzleien keine reinen Kapitalbeteiligungen geben. Ein ähnlicher Grundsatz gilt auch für Wirtschaftsprüfer, wenn auch in leicht angepasster Form. In Bezug auf die Rechtsanwälte entschied der EuGH (sogleich mehr), dass die berufliche Unabhängigkeit – als wesentlicher Grund des Allgemeininteresses – mit der Gewinnerzielungsabsicht eines reinen (Kapital-)Investors nicht vereinbar sei. Inwieweit diese Entscheidung auf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer anzuwenden ist, ist derzeit noch unklar. So wie § 59i Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vorschreibt, dass ausschließlich Rechtsanwälte Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein können, regelt dies für Wirtschaftsprüfer § 28 Abs. 4 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) und für Steuerberater § 55a Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Diese Vorschriften sollen verhindern, dass (Finanz-)Investoren mehrheitlich Anteile an den sogenannten Berufsausübungsgesellschaften erwerben. Berufsausübungsgesellschaften sind Gesellschaften in denen sich (1) Angehörige freier Berufe zusammenschließen, um ihren freien Beruf (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, usw.) auszuüben und (2) die jeweils für den freien Beruf zuständige Kammer (Steuerberater-, Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüferkammer) die Anerkennung als Berufsausübungsgesellschaft erteilt hat. Telos der Normen ist es, die Unabhängigkeit und Integrität dieser freien Berufe zu wahren.
Rechtsprechung zum Fremdbesitzverbot bei Rechtsanwälten
In Bezug auf Rechtsanwaltsgesellschaften wurde Investoren jedoch für ein Direktinvestment erst einmal ein Riegel vorgeschoben. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Urteil vom 19. Dezember 2024, Rechtssache C‑295/23) bestätigte das im deutschen Recht festgelegte Fremdbesitzverbot. Konkret stellte der EuGH in seiner Entscheidung klar, dass das Verbot der Beteiligung reiner (PE-)Investoren an Rechtsanwaltsgesellschaften durch mitgliedsstaatliche Regelungen – in diesem Fall ging es um den nach dem alten Berufsrecht einschlägigen § 59e BRAO – sowohl zulässig als auch gerechtfertigt sei, um die anwaltliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Die anwaltliche Unabhängigkeit stelle eine wesentliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufs und damit einhergehend dem Funktionieren des Rechtsstaats dar. Auch das Unionsrecht, insbesondere der freie Kapitalverkehr und die Dienstleistungsrichtlinie und die Grundfreiheiten, stünden der nationalen Regelung nicht entgegen. Ein Mitgliedstaat – hier Deutschland – könne mit guten Gründen davon ausgehen, dass ein Rechtsanwalt nicht in der Lage wäre, seinen Beruf unabhängig auszuüben, wenn er einer Gesellschaft angehöre, in der (juristische) Personen mit rein finanziellen Interessen als Gesellschafter beteiligt seien. Der regelmäßige Antrieb der Investoren, nämlich Gewinnmaximierung, kollidiere im Grundsatz mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts. Das Fremdbesitzverbot sei auch nicht unverhältnismäßig, da es im Wesentlichen dem Ziel diene, die Unabhängigkeit und die Qualität der Rechtsberatung zu sichern.
Quo vadis PE?
Der vom EuGH entschiedene Fall handelte von der Abtretung der Mehrheit der Gesellschaftsanteile einer Rechtsanwalts-UG an eine österreichische GmbH, die (rein) wirtschaftliche Interessen verfolgte, von den übergeordneten Interessen also wie bei Investitionen von PE-Fonds in Berufsausübungsgesellschaften. Da – nun auch vom EuGH bestätigt – klar ist, dass der direkte Erwerb deutscher Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien erstmal nicht zulässig sein soll, muss auf alternative Strategien zurückgegriffen werden.
EU-Holding
Bereits mehrfach pressewirksam gesehen ist eine Berufsausübungs-Holding aus dem europäischen Ausland. Anknüpfungspunkt hierbei ist, dass sich Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aus dem europäischen Ausland an deutschen Berufsausübungsgesellschaften beteiligen können. Danach beteiligt sich ein Finanzinvestor zunächst an einer ausländischen EU-Beratungsgesellschaft, die wiederum die Anteile an der deutschen Beratungsgesellschaft erwirbt. Nach § 55a Abs. 1 Nr. 3 StBerG dürfen an einer Berufsausübungsgesellschaft anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften als Gesellschafter beteiligt sein. Ebenso erlaubt § 28 Abs. 1 S. 2 WPO einer anerkannten EU/EWR-Abschlussprüfungsgesellschaft, sich an einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu beteiligen. Für diese EU/EWR-Abschlussprüfungsgesellschaften gilt das Herkunftslandprinzip, das keine Anforderungen an eine Übereinstimmung mit den Vorgaben der deutschen WPO stellt. Wenn das Herkunftsland also Fremdkapitalbeteiligungen an Berufsausübungsgesellschaften gestattet, kann eine indirekte Beteiligung an einer deutschen Berufsausübungsgesellschaft so strukturiert werden. Schließlich sieht die WPO nicht vor, dass die Muttergesellschaft einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihren Sitz in Deutschland haben muss. Dieses Modell wird bereits durch mehrere Investoren in verschiedenen Beratungsbereichen angewendet, wie in der Presse zu lesen ist. Dieses Konzept funktioniert allerdings nur bei Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, da sich an Rechtsanwaltsgesellschaften nur Freiberufler selbst oder Rechtsanwaltsberufsausübungsgesellschaften beteiligen dürfen.
Nachfolgefinanzierung durch Investor
Ein weiterer Weg der (indirekten) Beteiligung eines Investors besteht in der Finanzierung der „Nachfolgeregelung“ der Gesellschafter. Der Investor wird hier weder direkt noch indirekt Gesellschafter noch erwirbt eine Tochtergesellschaft Anteile an der deutschen Steuerberatungs- bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Vielmehr finanziert der Investor die Übernahme von Anteilen des ausscheidenden Gründers/Gesellschafters der Gesellschaft durch eintretende Nachfolger (Private Equity kommt durch die Hintertür ins Steuerberatungsgeschäft, Börsen-Zeitung vom 21. Februar 2025). Diese Finanzierung ermöglichte es mehreren leitenden Managern, die Mehrheitsanteile des Unternehmens zu übernehmen, wobei die Finanzierung durch einen externen Dritten bereitgestellt wird. Die Finanzierung verstößt nicht gegen das Fremdbesitzverbot, da der Investor selbst keine Anteile an der Gesellschaft erwirbt. Zudem dürfen die eintretenden Manager die erworbenen Anteile auch nicht für den Investor halten. Letzteres würde wiederum einen Verstoß gegen das Fremdbesitzverbot darstellen. Es handelt sich um eine Art Management-Buy-In (MBI). Der PE hat hier in dieser Konstellation jedoch weit weniger Einflussmöglichkeit als bei einer direkten Beteiligungslösung.
Herausforderungen
Sowohl die EU-Holding-Konstellation als auch die finanzierte „Nachfolge“ sind jedoch keineswegs Selbstläufer und erscheinen auch nicht abschließend befriedigend. Freilich wäre es aus PE-Perspektive wünschenswert, dass sich die europäische Gesetzgebung investitionsoffener gestaltet und es schlicht dem Umweg über eine EU-Holding nicht mehr bedürfte. In den USA ist die Konsolidierung des Beratungsmarktes schon seit einigen Jahren – insbesondere unter starkem PE-Einfluss – der Fall. Die Hausaufgaben zur Nacharbeit sind die Folgenden:
- das Urteil des EuGH war ein Dämpfer;
- in Bezug auf die EU-Holding-Lösung bleibt offen, wie sich der regulatorische Rahmen in Europa, bzw. in Deutschland entwickelt;
- die Entscheidung des EuGH in der juristischen Literatur auf breiter Front befürwortet und vor allem von den Berufsverbänden als Sieg gegen Fremdinvestitionen berühmt; wenn die Gesetzgebung hierzulande einen protektionistischeren Weg einschlagen würde, würde das nicht überraschen;
- mittlerweile stellt sich das praktische Problem, dass für die bislang bevorzugte luxemburgische WP-Gesellschaft schlicht die Wirtschaftsprüfer ausgehen, die für die Ebene der Akquisitionsgesellschaft benötigt werden;
- es ist eine Frage der Zeit, bis sich die jeweiligen Berufskammern zu der EU-Holding-Praxis eine offizielle Meinung bilden; eine Überprüfung der Aufsichtsorgane ist hier wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit;
- bezüglich der mittelbaren Nachfolgefinanzierung ist klar: der MBI-Kandidat verfolgt, bzw. muss, natürlich die Interessen der hinterstehenden Investoren verfolgen und aus PE-Sicht ist die Komplexität der Investition nicht zu vernachlässigen, denn der Exit zum Ende der Halteperiode durch Veräußerung der Holding ist bei einer verstreuten MBI-Struktur jedenfalls nicht so trivial möglich, wie in üblichen Secondaries bei der Veräußerung der Plattform-Muttergesellschaft, bzw. deren Holding.;
- zumeist sind die primären Zielunternehmen im sog. Micro-Cap einzuordnen, weshalb sie sich hervorragend als Erweiterung der Gruppe (Add-ons) eignen; gleichwohl wird die Umsetzung der Akquisitionsstrategie dadurch auch sehr granular;
- der größte Hebel ist zugleich auch die forderndste Aufgabe in der Post Merger Integration, denn werden Gruppen mit vierstelligen Mitarbeiterzahlen in seinem Sektor akquiriert, der technologisch noch unterentwickelt ist, gehört zur Integrationsstrategie zugleich auch zwingend ein Abbauplan für Personal.
Road to Glory
Die aufgelisteten Herausforderungen sind keine Deal Breaker. Operativ sind die wesentlichen Hebel Personal und Technologie. Es gilt aus Investorensicht also für das primäre Aufsetzen der Plattform, die dann Exit-fähig ist, schon jetzt die richtigen Lösungen zu bieten, insbesondere:
- die Governance der Gruppe sollte klar aufgesetzt sein, es sollten nicht viele Köche den Brei verderben;
- die technologischen Entwicklungen müssen Hand in Hand mit der Personalentwicklung gedacht werden;
- die richtigen Markanteile müssen im Zuge der Buy-and-Build-Strategie auf die eigene Plattform allokiert werden.
Fazit
Die berufsrechtliche Regulierung, insbesondere das Fremdbesitzverbot stellt PE vor Herausforderungen, wenn es darum geht, in Kanzleien und berufsrechtlich regulierte Unternehmen zu investieren. Doch es bieten sich hinreichend Möglichkeiten, wie Investoren sich an der positiven Entwicklung des Beratungsgeschäfts sowie den sehr guten Gewinnmargen beteiligen können. Die bereits veröffentlichen Konstellationen lassen jedenfalls noch erhebliche Ungewissheiten unbeantwortet. Die gestalterische Kreativität ist und sollte hier noch viel weiter gehen, als bis zur EU-Holding oder einem MBI. Schließlich gibt es nur noch wenige Märkte mit zweistellig wachsendem Potential. Das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine präzise Anpassung der Investitionsstrategien sind entscheidend, um die Chancen im Business Services Sektor erfolgreich zu nutzen.