Traditionell setzen Unternehmen zur Incentivierung von Mitarbeitern auf sog. Employee Stock Option Plans (ESOPs) oder Virtuelle Beteiligungen (VSOPs; Phantom Stock Programs), um ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, langfristig am Erfolg des Unternehmens teilzuhaben. Nicht zuletzt der aktuelle Referentenentwurf, den § 19a EStG an die praktischen Notwendigkeiten und den internationalen Standard anzupassen, unterstreicht die Relevanz von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in der aktuellen Zeit. Klassische Mitarbeiterbeteiligungsprogramme kommen jedoch mit diversen Nachteilen. Sie sind aufwändig in der Umsetzung, können keine Stimmrechte gewähren und unterliegen dem persönlichen Steuersatz. Eine Alternative zu ESOPs und virtuellen Instrumenten sind Hurdle Shares, die vermehrt klassische ESOPs ersetzen werden.
Die Beteiligung von Mitarbeitern am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens kann in der Praxis verschiedentlich strukturiert werden. Die gängigen Instrumente, welche die sog. Dry-Income Problematik, d.h. steuerschädliche Lohnzuflüsse ohne entsprechenden Liquidätszufluss, vermeiden, sind (i) „echte“ ESOPs, und (ii) virtuelle Beteiligungen (VSOP, Phantom Stock Program).
ESOPs
Eine „echte“ ESOP-Gestaltung zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Begünstigten das Recht einräumt, zu einem definierten Zeitpunkt in der Zukunft echte Geschäftsanteile oder Aktien zu erwerben. Die rechtliche Umsetzung erfolgt in Form eines ESOP Programms, das zunächst die Rahmenbedingungen der Mitarbeiterbeteiligung definiert. Darin wird unter anderem die Vesting Periode sowie die Voraussetzungen zur Ausübung der Erwerbsoptionen festgelegt.
Auf Basis dieses ESOP Programms werden den Mitarbeitern dann im Wege gesonderter Zuteilungsschreiben Optionen gewährt. Die Zuteilungsschreiben enthalten auch den sog. Base Price oder Strike Price. Das ist der Betrag, den der Mitarbeiter im Falle der Optionsausübung für einen Geschäftsanteil zahlen muss. Über den Strike Price kann folglich gesteuert werden, ab welcher Unternehmensbewertung der Mitarbeiter an dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens partizipiert.
Da das ESOP Programm auf die Gewährung echter Geschäftsanteile oder Aktien gerichtet ist, bedarf es bei Optionsausübung einer entsprechenden Kapitalmaßnahme zur Schaffung ebendieser Geschäftsanteile oder Aktien. In der Praxis wird, zur Sicherung der Rechte der ESOP Begünstigten, zeitgleich mit der Implementierung des ESOP Programms ein genehmigtes Kapital geschaffen. Stimmrechte können ESOPs nicht vermitteln. Bis zur Optionsausübung und der tatsächlichen Gewährung von Geschäftsanteilen oder Aktien (wozu es allerdings selten kommt), haben ESOP-Berechtigte keine Gesellschafter- oder Aktionärsrechte.
Das ESOP bringt folglich einen gewissen Implementierungs- und Verwaltungsaufwand mit sich, der zwar handhabbar aber oft nicht gerechtfertigt ist. In der Regel geht es den Mitarbeitern nicht darum, Gesellschafter zu werden, sondern um den Gegenwert der Geschäftsanteile (abzüglich Strike Price) zu erhalten. Unternehmen haben ebenso wenig Interesse daran, eine Vielzahl von Kleingesellschaftern auf den Cap Table zu nehmen. Daher enthalten ESOP Programme auch in der Regel das Wahlrecht für das Unternehmen, die ESOP-Begünstigten in Geld zu befriedigen (Cash Settlement Option).
Im Falle eines Exit Events wird der Kaufvertrag regelmäßig vorsehen, dass das bestehende ESOP Programm durch einen Teil des Kaufpreises vollständig abgelöst wird. Der Käufer wird nach dem Closing häufig ein neues ESOP Programm implementieren, um die Mitarbeiter erneut zu incentivieren.
Steuerrechtlich unterliegen ESOP-Zahlungen an Mitarbeiter der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz (bis zu 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag).
Virtuelle Beteiligungen
Virtuelle Beteiligungen sind grundsätzlich flexibler. Hierbei handelt es sich um rein schuldrechtliche Verpflichtungen des Unternehmens, den Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen einen Geldbetrag zu zahlen, der dem Gegenwert von echten Geschäftsanteilen abzüglich eines Strike Prices entspricht. Virtuelle Beteiligungen sind folglich nicht darauf gerichtet, dass die Mitarbeiter am Ende des Tages Gesellschafter oder Aktionär werden.
Die rechtliche Umsetzung erfolgt ebenso auf Basis eines Beteiligungsprogramms und individueller Zuteilungsschreiben. Da es hier für die Befriedigung der Ansprüche keine Kapitalmaßnahme braucht, bedarf es auch keiner satzungsmäßigen Absicherung in Form von genehmigtem Kapital o.ä. Es empfiehlt sich allerdings innerhalb des Gesellschafterkreises Regelungen aufzunehmen, welche Gesellschafter in welcher Höhe durch die virtuelle Beteiligung belastet werden sollen. Im Exit Event wird die Zahlungsverpflichtung der Gesellschaft als „Debt“ oder „debt-like“ item kaufpreismindernd berücksichtigt und verringert die zu verteilenden Exit Proceeds. Wenn keine abweichenden Regelungen getroffen werden, z.B. im Shareholders‘ Agreement, werden die Gesellschafter folglich alle pro-rata im Verhältnis zu ihrer Beteiligungsquote verwässert.
Der Implementierungs- und Verwaltungsaufwand einer virtuellen Beteiligung ist geringer. In der Praxis sieht man daher mehr virtuelle Beteiligungen als echte ESOPs. Stimmrechte können sie allerdings ebenfalls nicht vermitteln und sie unterliegen wie ESOPs der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz.
Hurdle Shares als Alternative
Unter Hurdle Shares versteht man zunächst „normale“ Geschäftsanteile, die an Mitarbeiter zum Nominalbetrag von EUR 1 ausgegeben werden. Anders als bei ESOPs erhalten die Mitarbeiter diese Geschäftsanteile sofort und nicht erst später bei Ausübung einer Erwerbsoption.
Diese Geschäftsanteile unterscheiden sich jedoch vor allem in einem Punkt von anderen Geschäftsanteilen: Sie sind mit einer sog. negativen Liquiditätspräferenz versehen. Analog zum Strike Price-Mechanismus sollen die Mitarbeiter nicht an dem zum Zeitpunkt der Ausgabe der Hurdle Shares bestehenden Wert des Unternehmens, sondern nur an der zukünftigen Wertsteigerung partizipieren. Die negative Liquidationspräferenz regelt folglich, dass die Hurdle Shares nur ein Recht auf einen etwaigen Exiterlös vermitteln, wenn und soweit die Unternehmensbewertung einen bestimmten Wert (also die Hurdle) überschritten hat.
Daher liegt zum Zeitpunkt der Gewährung von Hurdle Shares kein zu besteuernder geldwerter Vorteil vor. Die Mitarbeiter bekommen die Anteile zwar sofort, sie vermitteln jedoch keine Rechte auf Gewinne oder Exiterlöse. Eine Dry-Income Problematik besteht folglich nicht. Mit Blick auf die Festlegung der Hurdle ist die enge Abstimmung mit dem Tax Advisor dringend angeraten.
Beispiel: Zum Zeitpunkt der Ausgabe der Hurdle Shares liegt die Bewertung des Unternehmens bei EUR 100m. Etwaige Exiterlöse oder Gewinne der Gesellschaft entfallen jedoch erst auf die Hurdle Shares, wenn und soweit die Bewertung des Unternehmens auf EUR 100m+ gestiegen ist. Vorher gehen Hurdle Shares leer aus.
Ein weiterer steuerlicher Vorteil ist, dass die Exit-Erlöse aus Hurdle Shares als Kapitaleinkünfte der Besteuerung mit dem Abgeltungssteuersatz unterliegen (25% zzgl. Solidaritätszuschlag). Das sollte für Mitarbeiter aber vor allem für die Gründer ein wesentliches Argument sein. Hurdle Shares haben bei gleichem Verwässerungseffekt eine höhere wirtschaftliche Motivationswirkung.
Ein weiterer Bonus, der hinzukommt, ist die Möglichkeit der Gewährung von Stimmrechten. Grundsätzlich gewährt jeder Geschäftsanteil eine Stimme. Hurdle Shares können allerdings auch satzungsmäßig als stimmrechtslose Geschäftsanteile ausgestaltet werden. Somit bieten sie in diesem Aspekt volle Flexibilität.
Einen Nachteil haben Hurdle Shares jedoch. Jeder Mitarbeiter, der Hurdle Shares bekommt, wird in der Gesellschafterliste und auf dem Cap Table aufgeführt. Dies kann jedoch, falls gewünscht, umgangen werden, indem man Hurdle Shareholder in einer hierfür geschaffenen neuen Gesellschaft poolt. Die Gründung oder der Kauf einer neuen Gesellschaft für Zwecke des Poolings macht Hurdle Shares allerdings nicht zu einer weniger aufwändigen Variante der Mitarbeiterbeteiligung.
Fazit
Die steuerlichen Vorteile von Hurdle Shares sowie die hinzugewonnene Flexibilität in Bezug auf die Gewährung von Stimmrechten macht Hurdle Shares im Verhältnis zu ESOPs oder virtuellen Beteiligungen regelmäßig zum vorzugswürdigen Instrument. Zur Vermeidung der Dry-Income Problematik sollte die Definition der Hurdle eng mit dem Steuerberater abgestimmt sein. Es ist davon auszugehen, dass Hurdle Shares klassische ESOPs oder virtuelle Beteiligungen in der Zukunft häufiger ersetzen werden.